Samstag, 3. Dezember 2011

Quer durch Thailand

Die Sonne hat ihren Höchststand erreicht, als unser Bus in die schmale Haltebucht des beschaulichen Busbahnhofes rangiert. Über Nacht katapultieren wir uns aus den Fluten in den trockenen Süden nach Phuket. Noch ist Nebensaison, alles geht ein wenig ruhiger von statten. Außer dieser Taxifahrer, der uns nun schon seit Minuten begleitet, um ununterbrochen seine Dienste anzubieten. Die Bedeutung des Wortes "No" scheint ihm fremd. Lästig wie eine Schmeißfliege, aber einer dieser ganz fetten Brummer die nach dem Wegscheuchen nur kurz eine Runde drehen um dann an der exakt gleichen Stelle wieder zu landen, werden wir ihn eifach nicht los. In jedes Gespräch, das wir mit Einheimischen suchen wollen, mischt er sich ein. Bei so viel Respektlosigkeit müssen wir ihn noch einmal sehr deutlich darauf hinweisen, das sich unsere Wege an genau dieser Stelle trennen werden. Das hat er geschluckt, der Brummer dreht ab, wir haben wieder unsere Ruhe.


Da wir uns auf einer der typischen Touristenrouten bewegen und Phuket nur wenig Thailand zu bieten hat, haut mich das, was wir hier zu sehen bekommen nicht gerade vom Hocker. Jeder Winkel der Halbinsel ist erschlossen, die Strände gesäumt von Schirmchen und Liegen. Unmittelbar dahinter bauen sich die großen Hotelkomplexe auf - fein säuberlich aneinander gereiht, einige sehen aus wie Bunker. Zwar besichtigen wir eine große Buddhastatue, die weit oben auf einem Berg thront, aber irgendwie scheint sie hier fehl am Platz. Die Umgebung, die gesamte Atmosphäre passt einfach nicht. Vielmehr dient sie wohl dazu, den invasierenden Touristen einen kleinen Happen Kultur zu präsentieren, denn ansonsten ist für alles gesorgt. Gehobener Hotelstandard mit all dem Schnick Schnack, Restaurants mit westlichem Essen, Bars, Clubs, die meisten voll mit leichten Mädels, Shopping-Malls und Souvenirstände die den gleichen Schnulli anbieten, wie man ihn überall kaufen kann. Hinzu kommt recht stabiles Wetter und ein Überangebot an Fun- und Freizeitaktivitäten. Perfekte Voraussetzungen, um in seinen 3 Wochen Jahresurlaub mal alle Viere gerade zu machen. Was Religion und Kultur betrifft, das was tiefer reingeht, werde ich vom Anblick einer Statue aber nicht erschließen. Deshalb bin ich auch froh, als wir bald weiter ziehen. Mit der Fähre gehts nach Kho Phi Phi, einer kleinen Insel weit draußen auf dem offenen Meer.




Es ist schon dunkel, über uns ein atemberaubender Sternenhimmel. Leicht erhöht haben wir es uns auf großen Kissen gemütlich gemacht und rauchen eine dieser konischen Zigaretten, die hier angeboten werden. In der Raggae Bar. Unmittelbar vor uns geben Tänzer einer Feuershow ihr Können zum Besten. Einer von ihnen, sein Name ist Set, setzt sich nach getaner Arbeit zum Plauschen zu uns. Viel erzählt er. Über die Bar, über sich und sein Leben auf der Insel. Weit oben am Berg wohnt er, mit weitem Blick aufs Meer. Nach einiger Zeit frage ich ihn, ob ich ihm eine persönliche Frage stellen darf und möchte wissen, wie er die Tsunami, die eben auch die kleine Insel überrollte, erlebt hat. Er beginnt zu erzählen.. Wie sich das Wasser zurückzog und die Menschen verwundert auf den weitläufigen Strand liefen. Niemand hatte so etwas vorher gesehen, niemand wusste, was hier passiert. Er erzählt, wie pünktlich um zehn Uhr die erste Fähre aus Phuket eintraf. Auf dem Kalender stand der 26. Dezember, der zweite Weihnachtsfeiertag. Das Fährschiff legte an, die ersten Passagiere gingen von Board. Einige von ihnen standen wohl noch auf dem Pier, als nich nur wenige Minuten später das Meer dicht vor der Küste gut 20 Meter hoch aus dem Boden schob und zwischen den beiden Anhöhen der Insel keinen Stein mehr auf dem anderen ließ. Noch ein paar "kleinere" Nachzügler, dann wurde das Ausmaß der Verwüstung sichtbar. Von einen Moment auf den anderen hatten die Menschen hier alle verloren. Alles. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Während Set erzählt frage ich ihn, ob es ok für ihn ist, darüber zu sprechen. Aber ja, nach nunmehr sieben Jahren stellt es für ihn kein Problem mehr dar. Familienmitgleider hat er glücklicherweise keine verloren. Am Abend des 26. trafen sich die Überlebenden zu einer Feier am Strand. Unvorstellbar. Allerdings betranken sich die Meisten fast bis zur Bewustlosigkeit, vermutlich um das Geschehene für einen Moment zu verdrängen.
Durch weltweite Fördergelder gestützt begannen die Menschen anschließend mit dem Wiederaufbau. Heute leben sie besser als vorher meint Set. Eine Story, die Gänsehaut verursacht, bei der jeder von uns an seinen Lippen klebt. Ein klein wenig Fantasie reicht schon aus und man kann sich ausmalen, was die Bewohner da durchgemacht haben. Die umliegenden Riffe sind noch heute Zeugen dieser imensen Kraft, mit der der die paradiesische Ruhe hier draußen für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.




Auf einem schmalen Pfad über die mit dichter Vegetation bewachsenen Berge erreichen wir eine einsame kleine Bucht mit herrlichem Strand, so weiß und feinkörnig wie Vogelsand. Wir verlieren keine Zeit, breiten die Handtücher aus und schnappen uns Maske und Schnorchel, um einen Blick ins Wasser zu werfen. Das Wasser hier ist so warm, selbst nach Stunden spürt man noch nicht einmal so etwas wie einen Anflug von Kälte. Und die Sicht ist gradios. Mit einem Stückchen Ananas in der Hand kann man riesige Schwärme von kleinen bunten Fischen anlocken, so dass jedesmal einer von uns in einem unruhig zappelnden Fischball verschindet. Eine tolle Artenvielfalt. Formen, Farben und das Verhalten der Meeresbewohner sind wirklich beeindruckend. Bis zur Dämmerung sind wir weit draußen. Mit der untergehenden Sonne verlagert sich das Farbenspiel des Meeres an den Himmel. Rasch setzt Dunkelheit ein. Und wir sind noch immer in dieser Bucht. Wie nach Hause kommen? Zu allererst sondiern wir unsere Möglichkeiten. Viel bleibt uns nicht. Wir haben die Wahl: Entweder über die felsige Küste um den Berg herum oder den schmalen Pfad, auf dem wir gekommen sind zurück zu laufen. In völliger Dunkelheit versteht sich. Meiner einer wäre ja für Möglichkeit 3 gewesen: Am Strand ein Nachtquartier zu errichten und sich morgen Früh auf den Weg zu machen. Leider kann ich keinen der Beiden begeistern. Ein Bett aus großen Bananenblättern am Strand, ein Feuerchen, den Sonnenaufgang am nächsten Morgen.. All das hat nicht greicht. Schade. Also nehmen wir Weg 1 über die Felsen. Bereits auf den ersten Metern wird uns klar, dass wir auf diesem Weg wohl auch nicht vor morgen Früh ankommen werden. Zudem ist er ziemlich gerfährlich. Noch bevor sich Resignation breit machen kann, hören wir jedoch ein gleichmäßiges Knattern. Weit draußen auf dem Meer. Ein Boot! Mit dem Kamerablitz schaffen wir es tatsächlich, auf uns aufmersam zu machen. Das Boot dreht und kommt langsam näher. Ein Mann hockt auf dem Bug. Wir erklären ihm unsere Situation und hoffen auf seine Unterstützung. Als Dank thailändischer Gastfreundlichkeit gibts eine unverschämte finanzielle Forderung. Leider ist unsere Verhandlungsgrundlage denkbar schlecht. Wenn man immer vom kürzeren Hebel spricht, ich wüsste gar nicht, wo wir hier anpacken sollten.. Dennoch schaffen wir es, einen annehmbaren Preis zu erzielen. Allerdings ausgereitzt, bis er schon den Motor angeworfen und wegfahren wollte. Auf der Fahrt an der Küste entlang wird uns die Strecke bewusst, die noch vor uns gelägen hätte. Eins ist klar: Übernachtet hätten wir auf jeden Fall in einer der kleinen Buchten. Ach Mensch, wär der olle Kutter doch vorbei gefahren..


 

Über Krabi zieht es uns anschließend von den West- zu den Ostinseln Thailands. Zunächst auf Koh Samui, wo uns Khadeejah besuchen kommt. Ihr Wohnviertel in Bangkok musste mittlerweile evakuiert werden, so können wir die letzten Tage in Thailand noch zusammen verbringen.
Einquartiert in einem Resort mit wunderschönem weitläufigen Garten und einem darin intergrierten Pool lässt es sich zwar ausshalten, dennoch erkunden wir die Insel mit dem Roller, genießen die Zeit am Strand oder fahren zu herrlichen Wasserfällen, wo sich das Wasser zwischen den einzelnen Trassen umgeben von riesigen Felsen wie in kleinen Whirlpools ansammelt, die förmlich danach schreien, hinein zu steigen. Eine wunderschöne Zeit, die sich leider schon viel zu früh ihrem Ende entgegen neigt. Nur wenige Tage später werden sich unsere Wege nach der legendären Fullmoon Party auf der Nachbarinsel Kho Phan Gan trennen. Ihr macht das sehr zu schaffen, sie mag mich glaube ich sehr. Aber es führt kein Weg daran vorbei, sie wird in den Norden nach Bangkok zurück kehren, mich wird es in Richtung Westen ziehen, um von Phuket weiter nach Malaysia zu fliegen..




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