Freitag, 30. Dezember 2011

Singapore

Singapore hat einen der spektakulärsten Landeanflüge, die ich bisher gesehen habe. Über das Meer nimmt der Flieger Kurs auf die Landebahnen. Tief unten auf der Wasseroberfläche liegen Ozeanriesen, Tanker und Containerschiffe, die gleichmäßig verteilt auf die Einfahrerlaubnis zum Hafen warten. Bei Tag schon spektakulär, ist diese Ankunft bei Nacht noch eine Spur beeindruckender.


   

Bei einem Rundgang durch die Innenstadt fallen sofort die vielen Verbotsschilder auf. Singapore ist sehr strikt organisiert. Für alles gibt es eine Regel oder ein Gesetz, bei Nichtbeachtung drohen saftige Geldstrafen. Für Essen und Trinken in Bereichen der Metrostationen werden beispielsweise $500 fällig. Wegwerfen von Müll, Rauchen in den nicht dafür vorgesehenen Bereichen oder das Füttern wilder Tiere wird mit $1000 bestraft. Vergisst man die Toilettenspülung zu benutzen, ist man mit $150 vergleichweise günstig dabei. Auch gibt es in Singapore noch die Todesstrafe. Für den Besitz von Drogen oder Brandschatzen zum Beispiel. Produkt dieser abschreckenden Massnahmen und staatlicher Kontrolle ist eine sehr saubere und gepflegte Innenstadt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es in Singapore keine Kaugummis zu kaufen gibt, sogar die Einfuhr dieser klebrigen Dinger verboten ist. In der U-Bahn hab ich mich mit einem Einheimischen unterhalten. Er vergleichte den Stadtstaat mit einem großen Gefängnis. Er meinte, Freiheit würde es nur außerhalb der Grenzen geben. So richtig glauben schenken mag ich seinen Übertreibungen nicht, denn einen Ansatz in diesen Regelungen finde ich ganz interessant. Essen und Trinken ist in zahlreichen kantinenartigen Food-Courts sehr günstig. Jeder kann sich eine warme Mahlzeit leisten. Zigaretten und Alkohol ist dafür fast unerschwinglich teuer.


 
Dennoch kommt mir Singapore vor wie eine Stadt der absoluten Dekadenz. Pompöse Einkaufsstraßen gibt es, die bekannteste davon, die Orchard Road, die alles was ich bisher gesehen habe, in den Schatten stellt. Einkaufsautobahn müsste man zu dieser eigentlich sagen. Auf 20km Länge reihen sich riesige Malls aneinander, alle vollgepackt mit den großen Marken dieser Welt. Größer als New York, teurer als Hong Kong, vielseitiger als Mailand. Wenn man also mal seine Ruhe haben möchte, drückt man der Gutsten seine Kreditkarte in die Hand und schickt sie in die Orchard Road. Ins Paradies. Wenn man sie widersehen möchte allerdings nicht, ohne vorher ein Limit auf die Karte zu setzen, denn sie wird auf keinen Fall zu früh nach Hause kommen.
Alle Einkaufstempel sind unterirdisch miteinander vernetzt, über und unter der Erde ist also gleichermaßen Gewusel. Die exklusivsten Marken haben großflächige Geschäfte rund um die Metrostationen, aus denen man beim Hochfahren mit der Rolltreppe direkt in den größten Einkaufstempeln landet. An jeder Ecke glitzert und funkelt es, gigantische Weihnachtsbäume stehen in den Foyès. Aus den Lautsprechern hallt leise Musik, in der Luft liegen angenehme Düfte. Das erste Mal kommt auf meiner Reise ein bisschen Weihnachtsstimmung auf. An einem schillernden Baum bleibe ich stehen. Um ihn herum wackelt ein Santa Claus und verteilt Geschänke an die Kinder. In Mitten der Mengen stehend habe ich den Jenaer Weihnachtsmarkt vor Augen und frage mich, wie er wohl dieses Jahr ausschaut. Der Duft von Mandeln und Glühwein, dick eingepackt gesellig beisammen zu sein, all das fehlt mir schon ein wenig. Mindestens genauso wie der bereits vergangene Herbst, der in diesen Breitengraden hier eine Unbekannte darstellt.



Ein paar Tage verbringe ich noch mit Frauke und Marcus aus Jena, die zufällig in der Stadt sind, dann packe ich meine Sachen für die nächste große Etappe. Raus aus Asien und ab nach Neuseeland..


Bali

Bali, ein Zwischenziel auf meiner Reise, auf das ich mich schon seit Längerem gefreut habe. Am Mittag stehe ich vor dem beschaulichen Flughafengebäude, das sich mit seinem roten Ziegelspitzdach und den reichlichen Verzierungen kaum von den umliegenden Gebäuden unterscheidet. Im Inneren dichtes Gedränge. Genervt quetschen sich die ankommenden Touristen durch die Nadelöhre der Kontrollpunkte. Der kleine Flughafen scheint mit der Abfertigung eines einzigen Fliegers überfordert zu sein. Auch am Ausgang klingt das Chaos nicht ab. Vor den Toren der Wartehalle mischen sich die gewohnten Heerschaaren an Taxifahren dazu und prabbeln wild gestikulierend auf die potentielle Kundschaft ein. Einen feinen Unterschied gibt es dennoch: Wurde ich in China noch mit "Sir" angesprochen, hieß es in Thailand schon "my friend". In Malaysia war ich "the boss" und hier in Indonesien sprechen sie dich mit: "Hey bro, where are you going?" an. Vom ersten Augenblick an scheint es hier also eine Spur familiärer zuzugehen.. ;)



  
Kurze Zeit später sitze ich wieder auf dem Roller. Die Touristenhochburgen im Süden, mit den hoffnungslos verstopften Straßen und all dem Trubel, habe ich bereits nach der ersten Nacht hinter mir gelassen. Clubs und Party in Kuta und Seminyak, all das erinnert mich irgendwie an Mallorca. Ist zwar auch ganz nett, aber eben nicht das, was Bali wirklich ausmacht. So glaube ich zumindest. Und so ist nach einem kurzen Zwischenstopp für ein paar Erledigungen in Balis Hauptstadt Denpasar der Weg in Richtung Westen frei - nach Tannah Lot, einem altehrwürdigem Küstentempel, den ich noch vor Sonnenuntergang erreiche. Keine zwei Stunden später verschwindet die Sonne am Horizont und hüllt den gesamten Himmel in ein wunderschönes Abendrot. Die Wasseroberfläche sieht aus aus würde sie glühen. Das Farbenspiel ist hier noch schöner, als ich es beim Fussballspielen am Strand von Kuta gesehen habe. Vor den Touren des Tempels wirft ein Angler seine Route in kleine Rinnsale und Pfützen, die sich nach jeder Welle für einen Moment in der unregelmässigen Oberfläche der Felsformationen bilden. Wenig später sind nur noch seine schwarzen Konturen zu sehen. Unermütlich in den sich ständig wiederholenden Bewegungen. Hinter ihm löscht man in dem hoch aufragenden Tempel schon alsbald das Licht und lässt die Finsternis auch über die letzten erleuchteten Bereiche triumphieren. Die Felsen füllen sich mehr und mehr mit Krabben, die im Schutze der Dunkelheit aus ihren Spalten hervor kriechen. Eine mystische Umgebung ist es nun, in der das Einzige was bleibt das ständige Kommen und Gehen des Wassers ist. Angetan fahre ich weiter. Eine riskante Nachtfahrt, in der es mir aufgrund der rasenden LKW's ein ums andere Mal Ansgst und Bange wird. Es ist fast Mitternacht, als ich an die Tür einer kleinen Pension klopfe und wenig später mein Schlafquartier beziehe. Inklusive Ameisen, Mücken und was sonst noch so in den dichten Wäldern Balis kreucht und fleucht. Auch ein paar Geckos schauen mich über Kopf an der Decke klebend mit großen Augen an. An der unweit entfernten felsigen Küste brechen sich in einem gleichmäßig donnernden Grollen die Wellen und wiegen mich in dieser einsamen Nacht in den Schlaf.


 
 

Am nächsten Morgen werde ich durch lautes Geschrei und Gepolter geweckt. Zwei Katzen haben sich auf dem Dachboden in den Haaren. Auf dem Hof stehend kräht der Hahn und leutet den bevorstehenden Tag ein. Dank des zuverlässigen Anti-Moskito-Sprays bin ich in der Nacht gänzlich unversehrt geblieben. Nach einem kleinen Frühstück am Meer breche ich auf, denn die Sonne beginnt schon wieder tüchtig, die Luft aufzuheitzen. Da ist der Fahrtwind richtig angenehm.
Schon nach ein paar weiteren Kilometern beginnt sich die Szenerie zu verändern, knattere ich mit meinem Rucksack zwischen den Beinen durch Reisfelder und kleine beschauliche Ortschaften. Aber nicht nur die Landschaft, auch die Menschen verändern sich mit - schauen dir nach und schenken dir ihr Lächeln. Manchmal ein wenig verwundert, manchmal scheinen sie froh zu sein, dass es jemand heraus schafft aus diesem Touristenkessel, in dem auch Bali irgendwo zwischen Kommerz und mehr Schein als Sein gefangen ist. Ohne Frage ist der Tourismus hier für viele das täglich Brot, jedoch offenbart er unübersehbar, was dadurch verloren geht. Wie sehr er die Menschen, ihre Grundsätze und Gewohnheiten verändert. Mal ganz davon abgesehen, was er landschaftlich anrichtet. Aber glücklicherweise hat sich Bali bis heute auch noch eine andere Seite bewahren können. Landschaftlich in seinem weitläufigen Nationalpark oder kulturell im Inneren der Insel, das geschützt durch die großen Bergmassive wie von der Außenwelt isoliert zu sein scheint. Hier begegnen dir Menschen, die mit einer Offenherzigkeit auf dich zugehen, wie man es wohl nur noch selten vorfindet. Stehen Kinder in ihren Schuluniformen winkend am Wegesrand, auf dem Weg zu ihren Familien, um gesellig beisammen zu sitzen. Enten wackeln über die Straße, Grillen zirpsen laut vor dich dahin. In der mit Tempeln übersähten Landschaft liegt eine kraftgebende friedliche Stimmung der Ruhe und Besinnung in der Luft, der man sich nur zu gern hingibt. Hart aber unmissverständlich wird einem vor Augen geführt, wie wenig eigentlich ausreichend ist, um glücklich zu sein. Entweder im Schritttempo oder den fahrbaren Untersatz irgendwo abgestellt erkunde ich diesen hoch liegenden wudervollen Teil Balis, in dem nach traditionellem Glauben die guten Götter zu Hause sind. Das Böse verbirgt sich im Meer, das viele Balinesen meiden. Ein Grund dafür, dass ein Großteil der einheimischen Bevölkerung nicht schwimmen kann. Das Wasser der umliegenden Quellen ist dafür umso heiliger und insbesondere die Warmen dienen in den frühen Morgenstunden als Bad und Gebetsstätte. Unweit der großen Zentren ist es mit der Ruhe nach der Ankunft der ersten Touristenbusse gegen Vormittag allerdings vorbei. Dort habe ich Touristen gesehen, die während der Gebete rücksichtslos dazu gestiegen sind. Ohne Feingefühl und dem Verstand für traditionelle Gegebenheiten ihre Kameras, gehandhabt wie eine Waffe, auf die Einheimischen richten und damit nicht nur den Moment sondern auch die Menschen in ihren gewohnten Abläufen stören. Wenn man sich Zeit nimmt, kommen die Menschen jedoch von ganz allein auf einen zu, reichen dir die Hand und sind genauso an dem sonderbaren Fremden interessiert wie umgekehrt. Die Bilder sind nach einer höflichen Frage und dem respektvollen Umgang miteinander dann auch umso schöner. Einige haben aber wohl noch nicht begriffen, dass wir hier nicht im Tierpark sind. Aber in der weit zurückreichenden Geschichte musste sich die kleine Insel schon immer äußerer Einflüsse erwehren, wie zum Beispiel der Unterdrückung der vom Handel besessenen Holländer, die bis heute hier ihre Spuren hinterlassen haben.
Glücklicherweise gibt es aber noch diese Gebiete, in denen sich selten Touristen verlaufen. Weit oben in den Höhenlagen, auf fast 2000 Meter über Null, ist der natürliche Rhytmus noch in Takt. Hier kommt es einem so vor, als würden die Uhren langsamer ticken. Während eines nationalen Feiertages, dem "Education of God" ist hier die gesamte Bevölkerung auf den Beinen. In aufwendigen Zeremonien strömen die Leute bepackt mit zahlreichen Gaben in Richtung der Tempel. Unauffällig in Mitten der Mengen zu sitzen und dem Treiben zuzusehen ist grandios. Ein paar Tage später werde ich sogar in Balis heiligstem Tempel, dem Besakih, gesegnet. Mir treibt es die Schamesröte ins Gesicht.




Mindestens genauso interessant wie die lokalen Bräuche ist aber die Besteigung des noch aktiven Vulkans Ganung Batur, der nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen Ausbrüche viele Seiten in den Geschichtsbüchern Balis füllt.
Um 3:30 Uhr klingelt der Wecker. Meine Augen sind wie verklebt. Erst nach einem kräftigen Zug bin ich in der Lage, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Nach einer kalten Dusche mache ich mich auf zum Treffpunkt, um zusammen mit einer kleinen Gruppe aus Deutschen, Franzosen und Russen die Besteigung in Angriff zu nehmen. Zwei Tourguides werden uns begleiten. Pünktlich zum Sonnenaufgang sind wir zu einer kleinen Rast unterhalb des Kraters. Tief unter uns eine dichte Wolkendecke, die nur noch durch den gegenüberliegenden Ganung Agung, mit über 3100 Metern Balis höchster Berg, durchbrochen wird. Dank der klaren Sicht kann man am Horizont die weißen Umrisse der höchsten Erhebungen der Nachbarinsel Lombok sehen. Beeindruckt und in völliger Stille genießen wir dieses großartige Naturspektakel. Ein gemeinsames Frühstück in einer kleinen Bergehütte, dann gehts hinauf zur Kraterwandung. Auf schmalen Pfaden umwandern wir den riesigen Krater, sehen aktive Spots und die verschiedenfarbigen erkalteten Lavaströme der vergangenen Ausbrüche. Eine erlebnisreiche Tour mit fantastischen Leuten findet gegen Mittag ihr Ende.
  



In den darauffolgenden Tagen kehre ich Step by Step wieder zu meinem Ausgangsziel Kuta zurück. Allmälig verschwindet das freundliche Lächeln aus den Gesichtern der Menschen und der altbekannte Trubel hält Einzug. Bali ist zweifelsohne der krönende Höhepunkt meiner bisherigen Asienreise und wird immer seinen Platz in meinen Gedanken haben. Sehr dankbar über all das, was ich hier lernen durfte, bereite ich mich auf den Abflug nach Singapore vor und freue mich schon sehr, bald Alex und Ben in Auckland zu treffen..



Kuala Lumpur

Lange habe ich nichts von mir hören lassen, ich weiß. Aber wie für die meisten Dinge im Leben gibts es auch dafür eine logische Erklärung. Mein Netbook hat nach einer Flasche Bambussaft den Dienst eingestellt. Dieses klebrige Getränk ist ihm gar nicht bekommen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, es in Service-Centern verschiedenster Länder auf meiner Tour zu annehmbaren Konditionen wieder reparieren zu lassen, habe ich mich nun entschieden, ein neues zu kaufen. Wie gewünscht habe ich nun auch mehr Bilder in meine Einträge gesetzt. Ihr seht also, es werden keine Mühen gescheut.. :)


Bereits aus dem Flugzeug sehe ich Kuala Lumpur wie eine Stadtplan unter mir liegen, die mächtigen Petronas Twin Towers wirken selbst von hier oben noch riesig. Umgeben ist die Stadt von großflächigem dichten Dschungel. Mit der Ankunft am Boden fühlt man sich wie in "tausend und eine Nacht" versetzt. Malaysia hat enorme islamische Einflüsse, was auch die zahlreichen Moscheen in der Stadt belegen. Dennoch schafft es Kuala Lumpur, verschiedenste Religionen auf engstem Raum zu vereinen, was dieser Stadt diesen ganz besonderen Charakter verleiht.

  




Bis am Abend die riesige Vergnügungsmeile erwacht geht es auch ziemlich entspannt zu. Hin und wieder wird man auf ein paar Massagen angesprochen, einige natürlich auch mit dem obligatorischen "Special Service", aber den überwiegenden Teil meiner Zeit verbringe ich in einer sehr relaxed wirkenden freundlichen Stadt, die besonders durch ihre Vielseitigkeit auffällt. Mit der Ruhe ist es aber wie überall im Stadtteil Chinatown vorbei. Hier werden Duplikate angeboten, die man teilweise schon ein wenig ungläubig in den Händen hält und die äußerlich manchmal kaum vom Original zu unterscheiden sind. Alles wird auf diesen typisch engen Märkten unter lautem Gebrabbel an den Mann gebracht. Die meterhochen Stände, von denen die Verkäufer die gewünschte Ware mit einer langen Stange herunter angeln, reihen sich unter einem Dach dicht aneinander. Mehrere solcher Einkaufsstraßen, manche wie in einer Art Mall verpackt, hat KL zu bieten. Mit der besseren Qualität gegenüber Thailand trotz niedrigerem Preisniveau ist KL wohl der ideale Ausgangspunkt für eine Asienreise, um sich zu Beginn mit dem Nötigsten einzudecken. Ein paar Tage hier reichen dennoch aus, dann zieht es mich schon weiter. Indonesien ruft, genauer gesagt die kleine Insel Bali. Ich bin schon sehr gespannt..



Samstag, 3. Dezember 2011

Quer durch Thailand

Die Sonne hat ihren Höchststand erreicht, als unser Bus in die schmale Haltebucht des beschaulichen Busbahnhofes rangiert. Über Nacht katapultieren wir uns aus den Fluten in den trockenen Süden nach Phuket. Noch ist Nebensaison, alles geht ein wenig ruhiger von statten. Außer dieser Taxifahrer, der uns nun schon seit Minuten begleitet, um ununterbrochen seine Dienste anzubieten. Die Bedeutung des Wortes "No" scheint ihm fremd. Lästig wie eine Schmeißfliege, aber einer dieser ganz fetten Brummer die nach dem Wegscheuchen nur kurz eine Runde drehen um dann an der exakt gleichen Stelle wieder zu landen, werden wir ihn eifach nicht los. In jedes Gespräch, das wir mit Einheimischen suchen wollen, mischt er sich ein. Bei so viel Respektlosigkeit müssen wir ihn noch einmal sehr deutlich darauf hinweisen, das sich unsere Wege an genau dieser Stelle trennen werden. Das hat er geschluckt, der Brummer dreht ab, wir haben wieder unsere Ruhe.


Da wir uns auf einer der typischen Touristenrouten bewegen und Phuket nur wenig Thailand zu bieten hat, haut mich das, was wir hier zu sehen bekommen nicht gerade vom Hocker. Jeder Winkel der Halbinsel ist erschlossen, die Strände gesäumt von Schirmchen und Liegen. Unmittelbar dahinter bauen sich die großen Hotelkomplexe auf - fein säuberlich aneinander gereiht, einige sehen aus wie Bunker. Zwar besichtigen wir eine große Buddhastatue, die weit oben auf einem Berg thront, aber irgendwie scheint sie hier fehl am Platz. Die Umgebung, die gesamte Atmosphäre passt einfach nicht. Vielmehr dient sie wohl dazu, den invasierenden Touristen einen kleinen Happen Kultur zu präsentieren, denn ansonsten ist für alles gesorgt. Gehobener Hotelstandard mit all dem Schnick Schnack, Restaurants mit westlichem Essen, Bars, Clubs, die meisten voll mit leichten Mädels, Shopping-Malls und Souvenirstände die den gleichen Schnulli anbieten, wie man ihn überall kaufen kann. Hinzu kommt recht stabiles Wetter und ein Überangebot an Fun- und Freizeitaktivitäten. Perfekte Voraussetzungen, um in seinen 3 Wochen Jahresurlaub mal alle Viere gerade zu machen. Was Religion und Kultur betrifft, das was tiefer reingeht, werde ich vom Anblick einer Statue aber nicht erschließen. Deshalb bin ich auch froh, als wir bald weiter ziehen. Mit der Fähre gehts nach Kho Phi Phi, einer kleinen Insel weit draußen auf dem offenen Meer.




Es ist schon dunkel, über uns ein atemberaubender Sternenhimmel. Leicht erhöht haben wir es uns auf großen Kissen gemütlich gemacht und rauchen eine dieser konischen Zigaretten, die hier angeboten werden. In der Raggae Bar. Unmittelbar vor uns geben Tänzer einer Feuershow ihr Können zum Besten. Einer von ihnen, sein Name ist Set, setzt sich nach getaner Arbeit zum Plauschen zu uns. Viel erzählt er. Über die Bar, über sich und sein Leben auf der Insel. Weit oben am Berg wohnt er, mit weitem Blick aufs Meer. Nach einiger Zeit frage ich ihn, ob ich ihm eine persönliche Frage stellen darf und möchte wissen, wie er die Tsunami, die eben auch die kleine Insel überrollte, erlebt hat. Er beginnt zu erzählen.. Wie sich das Wasser zurückzog und die Menschen verwundert auf den weitläufigen Strand liefen. Niemand hatte so etwas vorher gesehen, niemand wusste, was hier passiert. Er erzählt, wie pünktlich um zehn Uhr die erste Fähre aus Phuket eintraf. Auf dem Kalender stand der 26. Dezember, der zweite Weihnachtsfeiertag. Das Fährschiff legte an, die ersten Passagiere gingen von Board. Einige von ihnen standen wohl noch auf dem Pier, als nich nur wenige Minuten später das Meer dicht vor der Küste gut 20 Meter hoch aus dem Boden schob und zwischen den beiden Anhöhen der Insel keinen Stein mehr auf dem anderen ließ. Noch ein paar "kleinere" Nachzügler, dann wurde das Ausmaß der Verwüstung sichtbar. Von einen Moment auf den anderen hatten die Menschen hier alle verloren. Alles. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Während Set erzählt frage ich ihn, ob es ok für ihn ist, darüber zu sprechen. Aber ja, nach nunmehr sieben Jahren stellt es für ihn kein Problem mehr dar. Familienmitgleider hat er glücklicherweise keine verloren. Am Abend des 26. trafen sich die Überlebenden zu einer Feier am Strand. Unvorstellbar. Allerdings betranken sich die Meisten fast bis zur Bewustlosigkeit, vermutlich um das Geschehene für einen Moment zu verdrängen.
Durch weltweite Fördergelder gestützt begannen die Menschen anschließend mit dem Wiederaufbau. Heute leben sie besser als vorher meint Set. Eine Story, die Gänsehaut verursacht, bei der jeder von uns an seinen Lippen klebt. Ein klein wenig Fantasie reicht schon aus und man kann sich ausmalen, was die Bewohner da durchgemacht haben. Die umliegenden Riffe sind noch heute Zeugen dieser imensen Kraft, mit der der die paradiesische Ruhe hier draußen für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.




Auf einem schmalen Pfad über die mit dichter Vegetation bewachsenen Berge erreichen wir eine einsame kleine Bucht mit herrlichem Strand, so weiß und feinkörnig wie Vogelsand. Wir verlieren keine Zeit, breiten die Handtücher aus und schnappen uns Maske und Schnorchel, um einen Blick ins Wasser zu werfen. Das Wasser hier ist so warm, selbst nach Stunden spürt man noch nicht einmal so etwas wie einen Anflug von Kälte. Und die Sicht ist gradios. Mit einem Stückchen Ananas in der Hand kann man riesige Schwärme von kleinen bunten Fischen anlocken, so dass jedesmal einer von uns in einem unruhig zappelnden Fischball verschindet. Eine tolle Artenvielfalt. Formen, Farben und das Verhalten der Meeresbewohner sind wirklich beeindruckend. Bis zur Dämmerung sind wir weit draußen. Mit der untergehenden Sonne verlagert sich das Farbenspiel des Meeres an den Himmel. Rasch setzt Dunkelheit ein. Und wir sind noch immer in dieser Bucht. Wie nach Hause kommen? Zu allererst sondiern wir unsere Möglichkeiten. Viel bleibt uns nicht. Wir haben die Wahl: Entweder über die felsige Küste um den Berg herum oder den schmalen Pfad, auf dem wir gekommen sind zurück zu laufen. In völliger Dunkelheit versteht sich. Meiner einer wäre ja für Möglichkeit 3 gewesen: Am Strand ein Nachtquartier zu errichten und sich morgen Früh auf den Weg zu machen. Leider kann ich keinen der Beiden begeistern. Ein Bett aus großen Bananenblättern am Strand, ein Feuerchen, den Sonnenaufgang am nächsten Morgen.. All das hat nicht greicht. Schade. Also nehmen wir Weg 1 über die Felsen. Bereits auf den ersten Metern wird uns klar, dass wir auf diesem Weg wohl auch nicht vor morgen Früh ankommen werden. Zudem ist er ziemlich gerfährlich. Noch bevor sich Resignation breit machen kann, hören wir jedoch ein gleichmäßiges Knattern. Weit draußen auf dem Meer. Ein Boot! Mit dem Kamerablitz schaffen wir es tatsächlich, auf uns aufmersam zu machen. Das Boot dreht und kommt langsam näher. Ein Mann hockt auf dem Bug. Wir erklären ihm unsere Situation und hoffen auf seine Unterstützung. Als Dank thailändischer Gastfreundlichkeit gibts eine unverschämte finanzielle Forderung. Leider ist unsere Verhandlungsgrundlage denkbar schlecht. Wenn man immer vom kürzeren Hebel spricht, ich wüsste gar nicht, wo wir hier anpacken sollten.. Dennoch schaffen wir es, einen annehmbaren Preis zu erzielen. Allerdings ausgereitzt, bis er schon den Motor angeworfen und wegfahren wollte. Auf der Fahrt an der Küste entlang wird uns die Strecke bewusst, die noch vor uns gelägen hätte. Eins ist klar: Übernachtet hätten wir auf jeden Fall in einer der kleinen Buchten. Ach Mensch, wär der olle Kutter doch vorbei gefahren..


 

Über Krabi zieht es uns anschließend von den West- zu den Ostinseln Thailands. Zunächst auf Koh Samui, wo uns Khadeejah besuchen kommt. Ihr Wohnviertel in Bangkok musste mittlerweile evakuiert werden, so können wir die letzten Tage in Thailand noch zusammen verbringen.
Einquartiert in einem Resort mit wunderschönem weitläufigen Garten und einem darin intergrierten Pool lässt es sich zwar ausshalten, dennoch erkunden wir die Insel mit dem Roller, genießen die Zeit am Strand oder fahren zu herrlichen Wasserfällen, wo sich das Wasser zwischen den einzelnen Trassen umgeben von riesigen Felsen wie in kleinen Whirlpools ansammelt, die förmlich danach schreien, hinein zu steigen. Eine wunderschöne Zeit, die sich leider schon viel zu früh ihrem Ende entgegen neigt. Nur wenige Tage später werden sich unsere Wege nach der legendären Fullmoon Party auf der Nachbarinsel Kho Phan Gan trennen. Ihr macht das sehr zu schaffen, sie mag mich glaube ich sehr. Aber es führt kein Weg daran vorbei, sie wird in den Norden nach Bangkok zurück kehren, mich wird es in Richtung Westen ziehen, um von Phuket weiter nach Malaysia zu fliegen..




Bangkok

"All die Dinge, die einem sein anrüchig lebender Onkel über Bangkok erzählt hat, sind wahr. Die Prostitution, eigentlich illegal, blüht in dieser Stadt und das organisierte Verbrechen sowie solide Schmiergeldzahlungen werden dafür sorgen, dass die Gesetze noch eine ganze Weile mehr auf dem Papier als auf der Straße existieren." [...]

Auszug Lonely Planet, Ausgabe 2007


Nachdem über Nacht mein Wecker auf den Boden und die Batterie herausgefallen war, hätte ich um ein Haar meinen Flieger verpasst. Ich kann wirklich von Glück sprechen, dass ich noch rechtzeitig wach geworden bin.
Ungewaschen und ein bissl durch den Wind erreiche ich diese anrüchige und hoch kriminelle Stadt, die einem im Reiseführer nach allen Regeln der Kunst so richtig schmackhaft gemacht wird. Bangkok, das ist aber in der Tat eine Hausmarke. Hier gibt es wirklich nichts, was man nicht an irgendeinem Straßenstand oder in einer dunklen Seitenstraße kaufen kann. Alles nur eine Frage des Geldes, dann ist in Bangkok alles möglich. Von den dramatischen Überschwemmungen, wie einheitlich in den Nachrichten berichtet, ist auf den ersten Blick nicht viel zu sehen. Zwar sind einige Flüsse bis zur Uferkante gefüllt, der Stadtkern ist bis dato aber weitesgehend unversehrt geblieben. Das Schlimmste steht nach Aussage der Regierung allerdings auch noch bevor und so sieht man überall Menschen, die eifrig damit beschäftigt sind, ihr Hab und Gut gegen das ansteigende Wasser zu schützen.


Mit Sylvia streife ich durch die Straßen. Am Airport hat sie mich angesprochen, ob ich ihr beim Ausfüllen der Arrival-Card behilflich sein kann. Natürlich gern. Nachdem ich sie zunächst durch die Touristenabzocken hindurch bis zum Skytrain geführt habe, sind wir nun damit beschäftigt, einige der Empfehlungen, die ich von Erik in Kunming bekommen habe abzuklappern, um nach einer Bleibe für die nächsten Tage Ausschau zu halten. Wir finden ein Quartier in der Nähe der Koh San Road, eine der bekanntesten Straßen der Metropole. Gleich um die Ecke zu Party und Tumult und in perfekter Distanz zum Königspalast.



Mit Khadeejah sitze ich im Tuk Tuk, einem dieser dreirädrigen Dinger, halb Auto halb Motorrad, die hier überall herum fahren. Gut festhalten sollte man sich schon, wenn es mit irrwitzigem Tempo in die Kurven geht. Wir sind zum Abendessen mit einem Freund von ihr verabredet. An einer kleinen Garküche direkt neben, eigentlich müsste man sagen auf der Straße. Als wir ankommen ist er bereits da. Ein junger Polizist, der bis auf seine Uniform aber überhaupt nicht den Anschein eines Ordnungshüters erweckt. Stolz präentiert er mir seine 9mm und sein Kampfmesser. Anschließend versucht er mich immer wieder mit seinen Handschellen zu erschrecken, in dem er sie mir gegen den Rücken drückt, in dem Glauben es sei das Messer. Ein lustiger Kauz und erstaunlicherweise stört sich hier niemand an einem derart lässigen Polizisten.
Mehrere Tage verbringe ich nun schon mit Khadeejah. Entweder beim Gaggeln im Park (sie ist professionelle Thaiboxerin, glücklicherweise sieht man ihr das nicht an), beim Bummeln durch die Stadt oder wir sitzen am Chao Phraya, der mehr und mehr über die Ufer tritt. Zu jeder Gelegenheit probieren wir Gerichte der thailändischen und indischen Speisekarte. Sehr leckeres Essen in einer faszinierenden Geschmacksvielfalt kommt da auf den Tisch, manches allerdings so scharf, dass es mir den Schweiß auf meine knallrote Stirn treibt. Khadeejah lacht, ich finde das in diesem Moment überhaupt gar nicht witzig, denn von Genuss kann ich da nun wirklich nicht sprechen. Aber sehe ich Bangkok durch unsere zahlreichen Unternehmungen von einer ganz anderen Seite, die mir ohne sie vielleicht verborgen geblieben wäre.
Trotz der schönen Zeit die wir verbringen, wechsle ich schon bald die Location und treffe mich wie abgesprochen mit Ronny und Schmiddi in einem Hotel am anderen Ende der Stadt. Eine wirklich feine Bleibe. Fitnessstudio, Swimmingpool und an jeder Ecke Pinguine, die dir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Nach der langen Reise tut es gut, sich einfach mal am Pool abzulegen und bemuddeln zu lassen. Als Michel ein paar Tage später dazu stößt ist das Jenenser Quartett auch endlich komplett.



Nach einem mehrtägigen Abstecher nach Pattaya, wo wir uns in die Clubs der großen Partymeile stürzen, dass aber mit all seinen Nutten und den abartigen Stränden nicht der Rede wert ist, nehmen wir erneut Bangkok als Ausgangspunkt für unsere Weiterreise in den Süden. Der Norden ist großenteils überschwemmt, die Transportverbindungen sind weitesgehend unterbrochen. Im Wasser tummeln sich Krokodile und giftige Schlangen. Auch Thailands Hauptstadt steht nun schon merklich unter Wasser und die Taxifahrer müssen zweimal überlegen, wie sie dich ans gewünschte Ziel bringen. Die Hochstraßen der Stadt sind rechts und links vollgeparkt mit Autos, die dort vor den Wassermassen in Sicherheit gebracht werden. Es ist gar nicht so einfach, ein Busticket zu bekommen, da viele Leute die Flucht antreten. Michel wird nach einem letzten Ausflug auf Bangkoks größten Makt im Hotel bleiben. Die Reise durch Thailand werden wir also zu dritt in Angriff nehmen..



Donnerstag, 20. Oktober 2011

Von Guilin bis Kunming

Nach einigen Wochen hier in China habe ich mich mittlerweile von der Ostküste kontinuierlich in Richtung Westen bis nach Xingyi durchgekämpft. Bis zu meinem Ziel Kunming sind es nur noch ein paar hundert Kilometer. Die Landschaft wird mit jedem Kilometer beeindruckender. Traumhaft schöne Wasserfälle, gigantische Schluchten und riesige unterirdische Höhlensysteme kann man hier entweder zu Fuß oder mit Paddelbooten bestaunen. Der Kulturschock ist enorm. Die Menschen, die Städte, alles sieht eben anders aus. Einer der Hauptgründe dafür, dass man von vornherein nicht erwartet, dass hier etwas genauso ablaufen könnte, wie bei uns.



Zunächst erreiche ich jedoch Anshun mit dem Zug. Die Sitzordnung meint es gut mit mir und so sitze ich mit drei Studentinnen an einem Tisch, die auf dem Weg nach Kunming sind. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. So gut, dass ich den Ausstieg in Anshun erst mal verpasse. Verdammt. Wohl oder übel muss ich bis zur nächsten Station weiter fahren. Bis nach Luizhi, das eine gute halbe Stunde entfernt liegt.
Dort angekommen versuche ich mich schnellstmöglich um ein Ticket in die entgegengesetzte Richtung zu bemühen. Am Bahnhofsschalter zeige ich mein Zugticket, um verständlich zu machen, wo ich hin möchte. Hektik bricht aus. Zwei Männer kommen auf mich zugestürzt, packen mich an den Armen und ziehen mich nach oben zum Bahnsteig. Lautes Geschrei. Der Zug aus dem ich vor drei Minuten ausstieg ruckt kurz an und fährt weiter. Die Männer sind geknickt. Aber endlich ruhig. Nun habe ich Gelegenheit, ihnen verständlich zu machen, dass ich nach Anshun möchte – in die andere Richtung. Diese Chinesen: In der Eile haben sie wieder nur einen Blick auf die Zugnummer geworfen, nicht aber einen Zweiten auf den Zielbahnhof. Die ganze Aufregung also umsonst. Nun werde ich zum Bahnhofsoffice gebracht. Auf dem Sofa liegt ein Polizist und schläft. Im Büro lautes Gebrabbel. Drei Damen kommen heraus und nehmen sich meiner Person an. Nun beschäftige ich also schon fünf Mitarbeiter. Das ist das Schöne an China: Hast du ein Problem ist jeder bereit dir zu helfen. Fast schon mit Übereifrigkeit. Schwer verständlich hat auch stets jeder Zeit, egal wie lange es dauert. Der Polizist ist mittlerweile durch den ganzen Tumult aufgewacht und bietet mir prompt seinen Platz auf dem Sofa an. Da sitze ich nun, meinen großen Rucksack auf dem Rücken, das Daypack auf der Brust. Um mich herum eifriges Gewusel. Ich warte erst mal ab. Eine Mitarbeiterin kommt auf mich zu und schreibt mir ein paar Zeichen auf ein Stück Papier. Sie besteht darauf, mir das passende Ticket zu besorgen. Ich darf mich nicht vom Fleck rühren. Auch dann nicht, als ich das Ticket bereits in den Händen halte. Sie möchten mir Bescheid geben, sobald der Zug einfährt. Hier in der Provinz, wo das alle zwei Stunden mal der Fall ist. Da sich der „Schnellzug“, äußerlich unserem ICE durchaus ähnlich und mit supernettem Bordpersonal ausgestattet, um eine geschlagene Stunde verspätet, bleibt noch genug Zeit, um mit der halben Bahnhofsbelegschaft plus Polizist bei einer Tasse Tee und einer Runde Karten zusammen zu sitzen. Anschließend werde ich zum Bahnsteig gebracht und winkend verabschiedet. Wie gesagt, das ist das Schöne an China. Immer hat jemand Zeit für dich, ist da jemand, der sich um dich kümmern möchte. Wie bei einer großen Familie..



Gestern habe ich zwei Schweizer getroffen. Es waren seit Guilin, das ich vor knapp einer Woche verlassen habe, die ersten Menschen, mit denen ich wieder ein paar Sätze wechseln konnte. Touristen treffe ich sonst keine. Dementsprechend viel Aufsehen errege ich mit meiner Anwesenheit. Hier im Landesinneren spricht zudem niemand auch nur ein Wort Englisch. Niemand. Das macht das Reisen und mancherorts selbst die eigentlich banale Beschaffung eines Zugtickets zur absoluten Herausforderung. China im Kern, in seiner grob erhaltenen Ursprünglichkeit, verschiebt die Prioritäten. Hier zählen keine Worte, da sie eh niemand versteht. Hier steht die Zwischenmenschlichkeit an erster Stelle. Hier wird auch der noch so selbstgefällige Europäer geerdet. Und es tut gut, das könnt ihr mir glauben.
Auch die Ernährung wird zunehmend komplizierter. Mit der regionalen Küche hier in Guizho kann ich mich so gar nicht anfreunden. Und von den Garküchen, die hier jede Fußgängerzone schmücken, halte ich nach überstandenen Magenkrämpfen erst mal Abstand. Mit der Zeit habe ich mir deshalb angewöhnt, bei der Ankunft in einer neuen Stadt bereits aus dem Taxi die Straßenzüge intensiv nach für mich bedeutenden Einrichtungen zu mustern. Vernünftige Restaurants, Banken und Möglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs stehen dabei an vorderster Stelle. Südchinesische Städte sind meiner Meinung nach recht ähnlich. Kennst du eine, kennst du alle. Sie zeichnen sich nur sehr gering durch einen eigenen Charme, durch einen besonderen Charakter aus. Nicht zuletzt aus diesem Grund fasziniert mich besonders die Provinz. Fernab jeglichen Großstadttrubels und Smogs. Der Weg führt hier zwangsläufig über einen selbst. Hier werden die Akkus für die Weiterreise aufgeladen. Zwar bekomme ich auch viel Armut zu Gesicht, aber begegnen mir dort auch immer wieder tolle Menschen. So aufgeschlossen, offenherzig und hilfsbereit, das es einem Anfangs regelrecht fremd erschien. Die Skepsis legte sich aber rasch und mittlerweile schenke ich diesen Leuten meine Bewunderung. Es ist schwer, das alles in Worte zu fassen und irgendwie möchte ich das auch nicht, aber eines vielleicht: Die Zeit in den weitläufigen Tempelanlagen, geprägt von Demut und Loyalität, diese Stimmung friedvoller und glücklicher Ruhe, ist weitaus mehr als ich mir vor Antritt dieser Reise je zu erträumen wagte. Dem Geist öffnet das Tür und Tor und führt dazu wirklich zu fühlen, dass es da tief im Herzen etwas gibt, das unglaublich viel stärker ist als der Verstand. Dass immense Kraft besitzt, die wir durch den Zugang zu unserem Inneren nutzbar machen können.
  

Eine bestimmte Sache ist allerdings mit Ausnahme der abgelegenen ländlichen, fast fahrzeugfreien Regionen in jedem Winkel Chinas gleich: Das Gedränge auf den Bürgersteigen, wo sich die Leute alle umeinander herumschlängeln und das unbändige Chaos auf den Straßen. Hier herrscht das gnadenlose Prinzip des Stärkeren, besser des Größeren und Schwereren. Kommuniziert wird über die Hupe – ununterbrochen. Gefahren wird dort wo gerade Platz ist. Die Farbe für Straßenmarkierungen, besonders für Fußgängerüberwege, könnte sich der Staat deshalb eigentlich sparen. Lichtleitanlagen im Prinzip auch, denn an Kreuzungen erlebt die chinesische Straßenverkehrsunordnung ihren Höhepunkt. Hauptfortbewegungsmittel der Chinesen ist der Roller. Unzählige dieser Dinger fahren quietschend und hupend, manchmal mit drei oder mehr Personen besetzt,  durch noch so enge Gassen. Selbst auf Bürgersteigen gibt es keine Sicherheit. Und gepaart mit der chinesischen Ungeduld ergibt das den typischen Mix, der den ganz normalen Alltag auf Chinas Straßen hervorruft. Das Überqueren einer Straße wird deshalb jedes Mal aufs Neue zur Mutprobe. Dabei darf angemerkt sein, dass in China kein internationaler Führerschein, sondern ausschließlich der chinesische akzeptiert wird. Jeder, der sich einmal auf chinesischen Straßen bewegt hat, wird fortan wissen warum.
  


Die letzten Tage bis zum Abflug verbringe ich dann in Kunming. Eine sehr entspannte Stadt, sauber und strukturiert. Nach der langen Reise kommt sie fast ein wenig unchinesisch vor. Untergebracht bin ich in einem Hostel, wie man es sich besser nicht wünschen kann. Vollgepackt mit super Leuten, unter anderem zwei Kölner, die in den letzten dreizehn Monaten mit dem Fahrrad von Zagreb bis hierher geradelt sind und deren Ziel Neuseeland ist. 13500km stehen bis dato schon zu Buche. Unglaublich. Oder Erik, 52 Jahre und ursprünglich aus Rotterdam. Seit 25 Jahren jedes Jahr für mindestens drei Monate hier in Asien und ein wahres Thailand-Orakel. Die ganzen Insiderinfos muss ich erst mal händeln. Hinzu kommen einige Amerikaner, Briten und Asiaten. Ein bunter Mix also und perfekt für lustige Abende. Kunming bietet seit langem auch endlich mal wieder die Gelegenheit, westlich essen zu gehen. Und so fällt die Wahl auf Papa John´s, spezialisiert auf Pizza und Pasta. Zwar spricht die Bedienung in einem amerikanischen Restaurant kein Englisch aber das Essen ist super. So gut, dass ich am zweiten Tag gleich nochmal vorbei schaue..
Das Restaurant ist wieder nur spärlich besucht. Die Kellnerin weißt mir gleich einen Platz zu. Am Fenster, so wie ich es mag. Ich nehme direkt Platz und vertiefe mich in die Speisekarte. Herrlich diese Auswahl, alles würde mir auf Anhieb zusagen. Keine Minute später bewegt sich da was. Langsam ziehe ich die Karte nach unten und schiele vorsichtig über den Rand hinaus. Mir gegenüber, am selben Tisch, sitzt eine Frau und lächelt mich an. Ein bissl dick ist sie, die Gesichtszüge deuten auf Thai oder Philli. Vom Alter her könnte es meine Mutter sein. Kurz lächle ich zurück, dann widme ich mich wieder voll und ganz der Nahrungsauswahl, lege aber aus Höflichkeit die Karte auf den Tisch. Wie angewurzelt sitzt sie da, keine Regung. Wieder blicke ich nach oben. Sie schaut mich ja immer noch an. Viel merkwürdiger, sie hat Hausschuhe an, neben dem Tisch steht ein vollgepackter Koffertrolli. Sehr merkwürdig. Aber gut, ich wähle in aller Ruhe mein Gericht und übergebe ihr die Karte. Nun ist sie endlich beschäftigt, blättert wie wild hin und her. Bei der Bestellung wartet sie lange, bestellt anschließend das gleiche Hauptgericht wie ich und flüstert der Bedienung irgendwas ins Ohr. Sie scheinen sich zu kennen. Die Karte ist weg, schon stehe ich wieder im Fokus. Sehr aufdringlich. Ich spreche sie an. Sie gibt nur ein paar kleine unverständliche Brocken Englisch von sich. Unterhaltung also nicht möglich. Kein Problem, während ich auf mein Essen warte und permanent angestarrt werde, schaue ich so lange aus dem Fenster. Kurze Zeit später bekommt sie ihre Spaghetti und ich meine Vorsuppe. Endlich. Alles gut soweit, nur warte ich anschließend verdächtig lange auf meine Nudeln. Frage ich doch einfach mal nach, ob da vielleicht etwas vergessen wurde. Die Handzeichen der Kellnerin korrigiere ich unmissverständlich. Sie bestellt Nudeln, ich bestelle eine Vorsuppe und Nudeln. Ganz einfach. Als sie mit ihrem Essen fertig ist, steht sie auf, läuft um den Tisch und setzt sich direkt neben mich, um mir mitgebrachte Servietten anzubieten. Ich lehne dankend ab, schließlich stehen Servietten zu Hauf auf dem Tisch. Und da kommen auch schon meine Nudeln. Während ich esse schiebt sie sich langsam näher und näher. Ok, Schluss. Ich lege mein Besteck zur Seite, wende mich ihr zu und frage mal nach, was das hier werden soll. Keine Reaktion. „I´m here for eating, not for dating! Ok?“ Keine Reaktion. Wie auch, wahrscheinlich hat sie kaum ein Wort verstanden. Nun gut, ich esse die Pasta und stehe auf. Auf dem Weg zum Counter frage ich noch einmal kurz in eine Runde chinesischer Geschäftsleute, ob heute vielleicht irgendein besonderer Tag in China sei. Sie versichern mir, dass das nicht der Fall ist. Denn was dort am Counter auf der Rechnung stehen wird ist schon viel zu lange offensichtlich. Selbstverständlich soll ich alles zahlen. Für eine Frau, deren Anwesenheit ich nie gewünscht habe, die auch noch nicht einmal annähernd attraktiv ist. Sorry. Und was ist, wenn ich die Rechnung bezahle, nimmt sie dann ihren Koffer und zieht bei mir ein? No way. Die Angelegenheit kläre ich mit dem Englisch sprechenden Restaurantleiter. Hier geht’s nicht um die paar Euro. Nachdem er die Pasta mit unzähligen Entschuldigungen von der Rechnung streicht, muss ich diese auch nur noch einmal korrigieren, damit ich nicht weiterhin zu viel zahle. Mit einem Schmunzeln verlasse ich den Laden. Die Story ist der Brüller in der abendlichen Runde. Ein lustiger Abschluss des Kapitels China. Und morgen geht’s ab nach Bangkok..