Donnerstag, 20. Oktober 2011

Hongkong

Hongkong. Nach knapp elf Stunden Direktflug von Frankfurt senkt sich der Flieger in die Dunstglocke, die über der Stadt schwebt, und setzt butterweich auf die Landebahn des auf einer Insel vorgelagerten Airports auf. Heftige Turbulenzen in der Nacht, die auch die große Boeing zwischenzeitlich mächtig ins Wanken brachten, machten das Schlafen fast unmöglich. Sei es drum, noch am Flughafen rüste ich mich für die Fahrt ins Zentrum und mache mich mit der nächsten Bahn auf den Weg.


Als ich nach knapp einer Stunde die Treppen aus dem Underground nach oben steige stehe ich auf einmal in Mitten von Menschenmassen am Rande einer Kreuzung im Stadtteil Mongkok. Eines scheint sofort klar: Die schönste Ecke Hongkongs haben wir hier zweifelsohne nicht erwischt. Hongkong zeigt sich hier von seiner ungeschminkten Seite. Alle paar Meter verdrängt ein Gestank den Anderen und macht das Atmen bei schwülen 40 Grad zur Herausforderung. Straßen und Fußwege sind hoffnungslos verstopft. Menschen bieten in kleinen Läden und an Straßenständen ihre Waren an, drängeln, schubsen, stoßen, das Stressbarometer schnellt schon nach kurzer Zeit in ungeahnte Höhe. Hongkong Mainland eben, hier fühlt es sich dreckig, hektisch und erdrückend an.
Nach kurzer Suche finde ich die kleine Seitentür zum Hostel. Von einer Sekunde auf die Andere entfliehe ich dem Trubel und stehe in der Stille des Fahrstuhls, der mich rauf ins 14. Stockwerk zum Ckeck-In bringt. Das Hostel passt ins Gesamtbild dieses Stadtteils wie ein Spielsüchtiger nach Vegas. Von hoch oben schaue ich in einen tiefen Schacht. An den steil aufragenden Häuserwänden hängt Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt ist. Das Waschen hätte man sich wohl sparen können. Die Zimmer des Hostels sind überall im Gebäudekomplex verteilt - auf verschiedensten Etagen und in den unmöglichsten Winkeln. Zunächst bin ich mit Klemens und Markus in einem akzeptablen 4-Mann-Dorm im 14. Stock untergebracht. Beim zweiten Besuch bekommen Rico und Ich ein Zimmer am Ende eines langen Ganges in der 8. Etage zugewiesen. Hier ist der Anblick ernüchternd. Sicher hatte ich nach den gewonnenen Eindrücken kein Penthouse erwartet, aber dieses Hostel schafft es doch tatsächlich, dem Ganzen noch eins drauf zu setzen. Absolut selbstverständlich zeigt uns die Hostelbesitzerin zunächst unser winziges Doppelzimmer, dann unser 1,5m² großes Bad, welches wir uns mit 4 weiteren Zimmern teilen müssen. Nach einem kurzen Blick hinein sehe ich die Toilette und das Waschbecken. Anschließend frage ich die Dame, wo sich die Duschräume befinden. Antwort: Geduscht wird ebenfalls in dieser Räumlichkeit, die selbst für eine Abstellkammer zu klein wäre. Scherzhaft frage ich sie, ob wir dafür die Toilette nutzen sollen. Wir lachen. Aber dieses treibt sie mir schnell aus dem Gesicht, als sie mir doch tatsächlich eine Duschbrause präsentiert, die in der Ecke neben dem Spülkasten angebracht ist. Sie meint das tatsächlich ernst und es handelt sich also wirklich um ein voll ausgestattetes Badezimmer auf der Grundfläche einer Hundehütte. Zu allem Überfluss geht sogar noch die Tür nach innen auf! Unser Entsetzen kommentiert sie dann mit den Worten: „This is Hongkong!“ Wie wahr.. Das allmorgendliche Prozedere sieht dann wie folgt aus: Nach dem Öffnen der Tür stellt man sich in den kleinen Freiraum hinter dem Waschbecken, um diese wieder schließen zu können. Anschließend breitbeinig über die Toilette um zu duschen. Umkleiden oder Abtrocknen ist im Bad selbstverständlich nicht möglich und muss vor der Tür geschehen. Dort hat man zwei Meter, bis man in den Sichtbereich einer Überwachungskamera gerät, die mir beim ersten Duschen natürlich verborgen bleibt. Und so bewege ich mich vollkommen frei auf dem Gang. Nichtsahnend, dass ich einige Etagen weiter oben bereits von der Hostelleiterin auf einem Bildschirm beobachtet werde. Rico, der hochgestiefelt war, berichtete mir wenig später über die Reaktion: „Naked man, naked man! Stefan is so crazy!“ Lustig war das allemal.
Das Hostel wurde in den letzten Jahren übrigens schon mehrfach umbenannt. Eine Maßnahme um den wiederholten Absturz im Hostelworld-Ranking abzufangen und wieder bei Null beginnen zu lassen. Wundern tut das natürlich niemanden.


Ansonsten hat Hongkong natürlich auch noch weitaus schönere und interessantere Ecken als die Gegend rund um Kowloon zu bieten. So besichtigen wir den impulsanten Hafen, ein traditionelles Fischerdorf auf der Insel Lantau, in deren Nähe wir auf einer Bootstour sogar rosafarbene Delfine zu Gesicht bekommen, die größte Buddha-Statue Chinas, die wir auf einer eindrucksvollen Fahrt mit einer Seilbahn erreichen. Die Abende vertreiben wir uns in coolen Bars rund um die Escelators.



Auch treffe ich nach langer Zeit endlich mal wieder Michel, der extra aus Singapur anreist und sich nun für die nächsten Jahre in Hongkong niederlassen wird. Zusammen schauen wir uns am Nationalfeiertag den Victorias-Peak an. Mit der Zahnradbahn geht’s durch dschungelartige Wälder auf nach oben. Ein unglaublicher Blick über Hongkong ist der verdiente Lohn für die einstündige Wartezeit im Tal. Am Abend lässt sich Hongkong zur Feier des Tages natürlich nicht lumpen und zaubert ein faszinierendes Feuerwerk über die beeindruckende Skyline an den Nachthimmel. Mit ein bisschen Trickserei schaffen wir es im Getümmel von Millionen Menschen und durch die zahlreichen Polizeiabsperrungen hindurch bis 5 Meter vors Pier, von wo aus wir eine grandiose Sicht haben. Anschließend stürzen wir uns ins berühmt berüchtigte Hongkonger Nachtleben.
Die Straßenzüge im Party-District auf Hongkong Island sind taghell erleuchtet durch abertausende Lichter. Unzählige Bars, Restaurants und Clubs reihen sich dicht aneinander. Die Straßen sind hier bedeutend sauberer als auf dem Mainland. Nur die kleinen dunklen Seitenstraßen sind total verkommen. Geht man zum Pinkeln in eine dieser hinein, sieht man alles, was man sich eigentlich lieber ersparen möchte. So ist man überwiegend damit beschäftigt, den Strahl in Richtung der fast mausgroßen Schaben zu schwenken, die blitzschnell auf einen zugestürzt kommen und sich so aber recht problemlos vertreiben lassen. Froh bin ich jedoch jedes Mal aufs Neue, wenn ich wieder im Hellen bin.
Da Feiertag ist, haben fast alle Mates frei. Das sind zumeist Haushelferinnen, die in ihrer wenigen Freizeit natürlich auf ihre Kosten kommen wollen. Und so sind die Clubs randvoll mit tollen Frauen. Wirklich zauberhafte Frauen. Während meiner gesamten Zeit hier habe ich in der Tat nicht eine beleibtere Frau gesehen. Im Gegenteil, nur die wunderschönsten Figuren. Aber genug der Schwärmerei.. Zu den Einheimischen Girls mischen sich Philippinos, Thailänder- und Indonesierinnen, die einen mit verwunschenem Blick anschauen. Doch bleibt Vorsicht geboten: In Hongkong regiert das Geld und so gibt es in der Stadt speziell am Feiertag wahrscheinlich so viele Nutten, würden sie sich alle an den Händen fassen, man könnte wohl einmal den Erdball umrunden. Selbst die meisten Mates möchten sich ihre bescheidenen Gehälter durch einen kleinen Obolus aufbessern. Und so gehört es zum guten Ton, wie in Amerika das Trinkgeld, dass man der Auserwählten am nächsten Morgen eine Kleinigkeit zusteckt.



Früh am Morgen lande ich wieder im Hostel. Eine lange Nacht in den Knochen. Nach ein paar Stunden Schlaf packe ich meine Sachen zusammen und verabschiede mich von Lena, Rico, Christian und André, die sich erst am Abend auf den Weg nach Dubai machen um nach ein paar Tagen Entspannung anschließend den Weg in die Heimat anzutreten. In einem Menschenstrom bisher nie für möglich gehaltenen Ausmaßes treibe ich in Richtung Bahnhof, um meinen Zug zu erwischen. Der Zug raus aus all dem Tumult und Stress und rein ins tiefe Hinterland Chinas..

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