Dienstag, 3. April 2012

Neuseeland (März)

Erste Station auf der Südinsel ist also Blenheim. Gründe für diesen Stop im Nordosten gibt es nicht viele. Wellington haben wir nach ein paar Tagen Arbeitssuche ohne Erfolg verlassen und so beginnen die Liquide in unserer Urlaubskasse langsam aber sicher zu versiegen. Ein Job muss her, deshalb fällt die Wahl auf die größte Weinregion Neuseelands.


Tag um Tag vergeht und wir werden nicht fündig. Wir erweitern die Suche in Richtung Westen nach Nelson, einer großen Apfel- und Kiwiregion gut anderthalb Stunden von Blenheim entfernt. Nichts. Aber so aussichtslos die Situation auch erscheinen mag, immer wieder tut sich dann doch eine Kleinigkeit auf, der man nachgehen kann. Und so gibts wenige Tage später einen Kontakt vom Pick NZ Office in Blenheim. Am nächsten Morgen stehen wir am Bahnhof und wenig später auf einem der riesigen Vineyards, die hier großflächig die Umgebung zieren. Die Trauben sind ein paar Wochen vor der Reife und wecken neben dem Interesse der Winzer auch das der zahlreichen Vogelarten. Einen imensen Aufwand betreiben die Wineries deshalb, das Federvieh von den leckeren Trauben fern zu halten. Durch die kreativsten Ausführungen verschiedenster Vogelscheuchen, laut knallender Schreckschusskanonen oder durch das Überhängen von Netzen. Und in Letzterem besteht unsere Aufgabe für die nächsten zwei Wochen. So denken wir. Nach nur drei Tagen ist Schluss, alle Backpacker werden kurzerhand entlassen. Dumm nur, das wir einen Tag zuvor ein weiteres Jobangebot aus Nelson abgesagt haben. Die haben sich nun anderweitig mit Leuten versorgt. Blöd gelaufen, nach einem kurzen Lichtblick ist die Situation nun wieder exakt die gleiche wie ein paar Tage zuvor. Um die laufenden Kosten zu minimieren suchen wir uns ein herrliches DOC am Meer, an dem wir die Nächte verbringen. Nachdem wir ein weiteres Mal von einem Contractor enttäuscht werden und wir uns entschliessen, zukünftig nicht mehr so viel auf deren Wort zu geben, kratzen wir die letzten Taler zusammen und checken in ein altes Hotel, mittlerweile ein Hostel, ein und vertrauen auf die Versprechung des Besitzers, durch seine zahlreichen Kontakte eine Stelle zu bekommen. Alex möchte im Bulli bleiben, Benjamin und ich bevorzugen ein Bett im Haus und beziehen unseren 6er Dorm zur Straße. Der erste Abend ist die Hölle. Ununterbrochen poltern dicht am Gebäude LKW’s vorbei, so laut, man könnte meinen, dass sie direkt durch unsere Betten rollen. Direkt neben der Strasse Schienen, über die einmal pro Stunde ein Güterzug donnert. Bis tief in die Nacht. Die Fenster müssen aufgrund zwei übel riechender Asiaten jedoch offen bleiben, aber selbst wenn wir sie schließen würden, die Sitauation wäre annähernd die Gleiche. Ewigkeiten starre ich an die Decke und versuche mir die Situation mit Musik in den Ohren so angenehm wie möglich zu gestalten bis ich für ein paar Stunden die Augen zumache. Ein Südinselstart, wie er ungünstiger kaum hätte verlaufen können. Eigentlich kann es nur besser werden.


Die Lage hat sich ein wenig entspannt. Hostelbesitzer Damien hat Recht behalten, wir kommen für drei Tage die Woche in einer kleinen Winery unter. Zwar sind seine Aussagen meistens mit Vorsicht zu genießen, aber diesmal war Verlass. Nun stehen wir an der Abfüllanlage im Weinkeller der Highfield Winery, an der der Wein des Vorjahres in Flaschen verfüllt wird und anschließend sogar nach Übersee, u.a. New York verschifft wird. Die Arbeit ist ziemlich entspannt und jeden Freitag bekommen wir eine Flasche vom guten Tropfen mit nach Hause. Ein Sauvignon Blanc, ein Wein, wie er typischer für diese Region nicht sein könnte. Und richtig lecker ist er auch. Einziger Wehrmutstropfen ist unser japanischer Vorarbeiter Takashi, der meint, uns trotz unserer angagierten Arbeitsweise immer und immer wieder mit japanischem Drill zurecht weisen zu müssen. Ein bischen froh sind wir, als ihm ein Fehler bei der Etikierung der Flaschen unterläuft und eine komplette Palette zurück gerufen werden muss. Wenigstens für diesen Tag hält er aufgrund seines schlechten Gewissens ein wenig inne. Stören tun wir uns an seinen Launen allerdings nicht, denn die beiden Produktionsleiter wissen unsere Arbeit zu schätzen. Zwei lustige Typen, mit denen das Arbeiten richtig Spaß macht..
Wieder sind wir für drei Tage diese Woche in der Winery. Die Frühstückspause in unserem Pausenraum mit Kaffeeautomat neigt sich dem Ende entgegen. Wie immer steckt unser japanischer Freund ein paar Minuten vor der Zeit mit den freundlichen Worten „Time is over“ seinen Kopf in die Tür und klatscht dabei wild in die Hände. Ich setze die Kaffeetasse für einen letzten zügigen Schluck an, als er hereingeplatzt kommt. „Stop drinking, time is over!“ In der Tat höre ich auf zu trinken, verharre aber hinter meiner großen Kaffeetasse und frage mich, ob das jetzt sein Ernst sein soll. Erstens ist noch Pause und zweitens bin ich in einer Sekunde fertig. Meine Augen verfolgen über die Tasse hinweg jeden seiner Schritte, als er um den Frühstückstisch galaufen kommt und auf der gegenüberliegenden Seite stehen bleibt. Einmal am Tag in Ruhe Kaffee trinken.. Ich gebe der Tasse einen weiteren Hub und entleere sie in einem Zug, zeige auf die große Uhr und verlasse den Raum mit den Worten: Don't treat me like a dog, ok? And by the way buddy, take it easy, i’ll be right back at work. Leider wird er es bis zum letzten unserer Arbeitstage nicht begreifen, dass seine Art wohl nicht die richtige ist, mit Menschen umzugehen..


Heute ist Wochenende. Ein Dienstag, denn unseres beginnt momentan am Samstag bis wir ab Mittwoch wieder für drei Tage arbeiten. Benjamin und ich haben eine kleine Sauna in einem Fitnesscenter ausfindig gemacht und wollen dort ein bissl schwitzen gehen. Squash oder Tennis fällt leider flach, denn trotz der zahlreichen Courts gibt es im gesamten Komplex nicht einen einzigen Schläger. Also wirds nur die Sauna. Auf dem kleinen Ofen kann man sogar einen Aufguss improvisieren, so das wir die normal üblichen 60 Grad noch ein wenig in die Höhe treiben können. Sehr angenehm, da merke ich doch gleich, was mir die letzten Monate auf jeden Fall gefehlt hat. Nach vier Gängen haben wir genug und sind dabei unsere Sachen zusammen zu suchen. Aber sie sind weg, die Taschen meiner Jacke offen! Keine Geldbörse, kein Handy. Eine Minute später, als noch eine Frau nach ihrer Sonnenbrille suchend in den kleinen Vorraum stürzt, sind wir uns im Klaren, dass wir bestohlen worden sind. Es folgen Diskussionen mit dem zuständigen Personal und dem Center-Manager. Schnell stellt sich heraus, dass wohl zwei Maori-Girls im Verdacht stehen. Mensch Mädels, wenn ihr die Kohle braucht, dann nehmt sie euch, aber bitte erspart mir doch die ganze Rennerei wegen Dokumenten und Karten und lasst mir meine geliebte Waschtasche. Die haben sie natürlich auch mitgenommen – dieses Prachtstück. Glück im Unglück: Wenigstens hab ich meinen Reisepass zu Hause gelassen. Kurze Zeit später trifft die Polizei ein und nimmt den Schaden auf. Sämtliche Karten haben wir in dieser Zeit schnellstmöglich gesperrt, um eine ausgiebige Einkaufstour auf unsere Kosten zu vermeiden.  Zwei Wochen später werden wir einen Anruf der Polizei erhalten, dass sie die Diebe gefasst haben. Vom Diebesgut keine Spur, aber es wird uns versichert, dass Sie für den entstandenen Schaden aufkommen müssen.



Nach all den Strapazen rund um Jobsuche und Diebstahl verlassen wir Blenheim und machen uns auf den Weg nach Christchurch, der Stadt, die nach einigen Erdbeben schwer getroffen wurde und wo es zahlreiche Jobs geben soll. Noch von Blenheim haben wir Anfragen an Jobagenturen in Christchurch per Email verschickt und bereits am Folgetag positive Resonanz erhalten. Also machen wir uns auf den Weg. Nach zwei Tagen treffen wir ein. Die gesamte Innenstadt ist durch einen Sicherheitsring abgesperrt, der nur durch einige vom Militär überwachte Zugänge passierbar ist. Zu groß ist die Einsturzgefahr einiger Gebäude. Die Regierung hat nun beschlossen, das gesamte City Centre dem Erdboden gleichzumachen und anschließend neu aufzubauen. Sehr schade, denn der erste Eindruck von Christchurch ist überaus positiv. Eine Stadt mit vielen Parks und alten Gebäuden, von denen allerdings viele nach den schweren Beben mit fast zweihundert Toten arg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Und dennoch habe ich das Gefühl, mich hier wohlfühlen zu können.




Nach nur einem Tag der Arbeitssuche und einigen Vorstellungsgesprächen bei den angeschriebenen Agenturen haben wir vier Jobangebote zur Auswahl. Die Nächte verbringen wir im Addington Motor Park unmittelbar neben dem neuen Rugby Stadion, in dem am ersten Samstag das Eröffnungsspiel stattfindet und die Straßen um uns herum mit bunten Menschenmassen füllt. Zu Beginn der neuen Woche entscheiden uns für eine gut bezahlte Stelle mit viel Arbeit als Demolition Worker. Wir bekommen die nötige Arbeitsausrüstung und einen Red Zone Pass, der es uns ermöglicht, die Kontrollen zum City Centre zu passieren. In den folgenden Wochen werden wir also Christchurch mit Hammer und Brecheisen anstatt Tourimap und Kamera besichtigen und Teil des Geschehens sein, die Gebäude zu entkernen und für den Abriss vorzubereiten. Am ersten Arbeitstag wird uns das gesamte Ausmaß der Zerstörung vor Augen geführt. Hotels, Banken und Geschäfte stehen teilweise halb zerstört in dieser Geisterstadt. Straßen, Fußgängerzonen, die unzähligen Schilder von McDonalds, Burger King, Hallenstein und Co, Straßenbahnschienen und Haltestellen, all das lässt einen erahnen, wie es gewesen sein könnte, als diese Gegend noch mit Leben gefüllt war. Nun ist hier bis auf ein paar Bauarbeiter keine Menschenseele. Ein besseres Beispiel für die Vergänglichkeit unseres Strebens nach Wohlstand und materiellem Wahn könnte es Wohl kaum geben. Und wie wichtig es ist, sich auf nachhaltige Dinge, auf uns selbst zu konzentrieren. Möglichkeiten zu nutzen, die uns wirklich bereichern.
Unsere Kollegen sind Iren, Engländer und Amerikaner, die einem trotz des rauhen Umgangstones mit der Zeit als sympatische Kollegen ans Herz wachsen. Wir arbeiten am Abriss des großen Westpac-Towers, eines nahmhaften neuseeländischen Bankgebäudes. Die mächtigen, weit geöffneten Stahltüren des Banktresores erwecken zwar die Hoffnung auf eine einfachere Möglichkeit, die Urlaubskasse für die Weiterreise aufzufüllen, aber leider ist alles leer.. ;) Für ein paar Wochen werden wir uns trotz der harten Arbeit von früh bis spät da durchbeissen müssen. Denn aufgrund der guten Bezahlung stehen anschliessend alle Türen offen, quasi jedes Land der Erde bereisen zu können. Und so langsam ruft Australien. Mit diesem Ziel vor Augen wird es ein wenig einfacher, die Strapazen zu ertragen. Schließlich soll sie weiter gehen, die lange Reise rund um den Planeten..

  


3 Kommentare:

  1. Dieser Blog ist wie...
    jeden Monat voller Vorfreude durch die Gänge des Supermarktes zu schleichen und die ganz besondere Lieblingszeitschrift unter dem Stapel hunderter Klatschblätter zu entdecken, sie voller Stolz an sich nehmend zur Kasse zu tragen und mit einem vielsagenden Grinsen der Kassiererin entgegenzustrecken, um auf die Besonderheit dieser Zeitschrift hinzuweisen, sie wie das erste Haustier im Leben bis zur Ankunft daheim nicht mehr loszulassen, um sich schließlich mit ihr in die gemütliche Leseecke zu verkriechen und die Eindrücke und Botschaften zu genießen, die sie enthält und nun in voller Schönheit offenbart.
    Es ist wie jeden Monat voller Vorfreude die Taschentücherbox für den Lieblingsfilmabend bereit zu stellen, um die genüsslich geweinten Tränen, die sich kullernd ihren Weg über die Wangen zurück zum Herzen bahnen, zu trocknen. Es ist wie der voller Freude erfüllte Moment, in dem du zu Anbruch des Tages ganz bewusst den Knopf des Radios drückst und sich die Melodie des Lieblingssongs ihren Weg über deine Ohren zurück in dein Herz bahnt, das die Noten längst auswendig kennt.
    Es ist wie ganz plötzlich inne zu halten, um diese zarten Nuancen des Lieblingsdufts, der in der Luft liegt, ganz bewusst erschnuppern und in sich aufnehmen zu können.
    Es ist wie die Vorfreude eines Kindes, das die Glocke des Eismanns hört, voller Eile und mit klopfendem Herzen hinaus rennt und dem Eisverkäufer atemlos, aber voller freudiger Erwartung seinen sehnsüchtigen Wunsch nach einer Kugel himmelblau entgegen schreit und das nicht nur den süßen zuckerwatteähnlichen Geschmack, sondern auch den Farbenwandel seiner Zunge von rot zu blau voller Staunen genießt. Es ist wie ein Lieblingsgefühl zu fühlen, das durch das Heben der Mundwinkel ausgelöst wird! :D

    Thank u for sharing.

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  2. Hast n angenehmen Schreibstil. Macht Spaß, deine lebhaft beschriebenen Erlebnisse zu lesen. Man kann sich die Landschaft auf jeden Fall schon recht gut vorstellen, so detailliert wie du sie beschreibst.
    Schreibst du in regelmäßigen, kleineren Abständen auf, was ihr erlebt habt oder nur einmal im Monat?
    Bin schon gespannt auf die nächsten Berichte ...

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    1. Danke fuer die Blumen, Daniel.
      Ich muss sagen, das ist sehr unterschiedlich. Eigentlich schreibe ich so wie mir die Laune steht.

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